Mammakarzinom: Was gibt es neu?
Trotz der Pandemie konnte auch in diesem Jahr die St. Gallen Consensus Konferenz als virtueller Kongress stattfinden. Die St. Gallen International Breast Cancer Conference gilt als ein der weltweit bedeutendsten Meetings im Bereich Brustkrebs, wo die wichtigsten Fragestellungen zur Optimierung der Behandlung von Mammakarzinom von einem Panel von Experten aus der ganzen Welt diskutiert werden.
Ein Kennzeichen der Konferenz war das Bedürfnis individueller und an der Patientin gezielter Empfehlungen für die Therapie von Mammakarzinom in Frühstadium.
Zweck der Optimierung der Brustkrebsbehandlung ist die Identifizierung von Patientinnen mit unterschiedlichem Risiko. Somit kann man die Therapie individualisieren und bei geringem Rückfallrisiko Therapie einsparen.
In diesem Szenario wurde in der St. Gallen Konferenz unter anderem der Einsatz von Prognoseteste des Tumors (genomic signatures) bestätigt und weiter in der Praxis gefördert. Es handelt sich um eine Untersuchung der Gewebeprobe bei Frauen mit Mammakarzinom, welche die Expression von verschiedenen Genen des Krebses analysiert. Das Ergebnis hilft dabei zu beurteilen, welche Frauen eine adjuvante Chemotherapie bekommen sollten und welche nicht, um belastende und nutzlose Therapie zu vermeiden. Einige von diesen Tests, z. B. EndoPredict® sind in der Schweiz bereits ein Bestandteil in den postoperativen therapeutischen Entscheidungen für Frauen, die in einem Graubereich für die Nutzen einer zusätzlichen Chemotherapie sich finden. Neu in der Konferenz unterstützen die Experten die Erweiterung der Anwendung von Genexpressionstest in selektiven Patientengruppen auch in einem präoperativen Setting zur Optimierung der Chirurgie. Hiermit wird aus den Gewebeproben der Stanzbiopsie die Genexpressionsanalyse zur Einstufung des Risikos durchgeführt. Patientinnen mit low-risk oder low-genomic risk Mammakarzinom würden eher von einer präoperativen endokrinen Therapie profitieren ohne zusätzliche Chemotherapie.
Bezüglich der Therapiemöglichkeiten moderne Operations- und Bestrahlungsoptionen bieten einen zunehmenden konservativen Ansatz, welcher auf einer individuellen Planung der Lokaltherapie basiert ist. Die Minimierung der Chirurgie betrifft nicht nur die Brust, sondern auch die Axilla. Die Sentinellymphknotenentfernung bei klinisch nicht befallenen Lymphknoten ist bei adäquater multimodaler postoperativen Therapie der Axilladissektion gleichwertig mit dem Vorteil einer deutlich wenigen Morbidität. Hinsichtlich der langen Erfahrung und guten Resultaten der Sentinellymphknotenbiopsie ist der Stellenwert der Axilladissektion bei befallenen Sentinellymphknoten aktuell umstritten. Die Daten von zwei wichtigen Studien (ACOSOG-Z0011 und EORTC 10981-22023 AMAROS trial) weisen darauf hin, dass bei Frauen mit 1 bis 2 positiven Sentinellymphknoten und geplanter Bestrahlungstherapie auf die Axilladissektion verzichtet werden kann.
Wenn eine präoperative Chemotherapie durchgeführt wird, bleibt die Axilladissektion bei klinisch auffälliger Axilla ein Standard. Daten von neuen Studien empfehlen das Verzichten auf eine ausgedehnte axilläre Chirurgie im Fall einer präoperativen Therapie mit Komplettremission der Krankheit in der Axilla, sofern durch die Sentinellymphknotenbiopsie mindestens 3 Lymphknoten entfernt werden.
Auch im Bereich der Strahlentherapie bei Brustkrebs hat sich ein Trend in Richtung einer Verkürzung (Hypofraktionierung) der Therapie durchgesetzt. Das würde einer Seite die Dauer der Bestrahlungstherapie minimieren, andere Seite die Nebenwirkungen reduzieren.
Diese Individualisierung und Optimierung der Behandlung von Mammakarzinom ist nur durch eine multidisziplinäre Zusammenarbeit gewährleistet.
Quelle
H. J. Burstein1*y, G. Curigliano2*y, B. Thürlimann3, W. P. Weber4, P. Poortmans5, M. M. Regan1, H. J. Senn6, E. P. Winer1 & M. Gnant7, Panelists of the St Gallen Consensus Conference: Customizing local and systemic therapies for women with early breast cancer: the St. Gallen International Consensus Guidelines for treatment of early breast cancer 2021, Annals of Oncology, 06 July 2021
Giuliano AE, Ballman KV, McCall L, et al. Effect of axillary dissection vs no axillary dissection on 10-year overall survival among women with invasive breast cancer and sentinel node metastasis: the ACOSOG Z0011 (Alliance) randomized clinical trial. J Am Med Assoc. 2017;318: 918-926.
Donker M, van Tienhoven G, Straver ME, et al. Radiotherapy or surgery of the axilla after a positive sentinel node in breast cancer (EORTC 10981-22023 AMAROS): a randomised, multicentre, open- label, phase 3 non-inferiority trial. Lancet Oncol. 2014;15:1303-1310.